Seit dem 18. Dezember wurde das französische Kernkraftwerk Chooz für knapp fünf Wochen vollständig vom Netz genommen. Bereits am Donnerstag wurde durch den staatlichen Betreiber EDF einem der beiden Blöcke der Stecker gezogen, die an der Grenze zu Belgien stehen und mit jeweils 1450 Megawatt zu den leistungsstärksten Reaktoren in Frankreich zählen. Durch die insgesamt über 56 Reaktoren in Frankreich, werden 61.370 Megawatt an Leistung generiert. Den Stromverbrauch in Frankreich decken sie zu rund 70 Prozent.
Als Grund für die Abschaltung wurden technische Fehler in der Nähe von Schweißnähten des Kernkraftwerk Civaux im Westen des Landes genannt. Diese wurden bei einer Inspektion festgestellt. Zunächst beim ersten, seit August schon heruntergefahrenen Reaktor, dann auch beim zweiten, im November außer Betrieb genommenen Reaktor.
Bauteile sollen nun in beiden Reaktoren ausgetauscht werden, teilte die EDF diese Woche mit. Der Ausfall der beiden Reaktoren soll bis Ende März und Ende April andauern. Ursprünglich sollte zumindest Civaux 2 diese Woche wieder an Netz gehen.
Doch damit nicht genug. Auch in den typähnlichen Druckwasserreaktoren von Chooz könnten ähnliche Probleme auftauchen. Deshalb hat sich EDF „vorsorglich“ auch zu deren Abschaltung und Überprüfung entschlossen. Unterm Strich steht ein ungeplanter Ausfall von fast 6000 Megawatt Leistung. Und das lässt in dreierlei Hinsicht aufhorchen: Zum einen, weil es ein Schlaglicht wirft auf die von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron als zuverlässig gepriesene Atomenergie, die er kräftig ausbauen will.
Es handelt sich dabei auch um einen sehr ungünstigen Zeitpunkt. Erst Ende November hatte der französische Stromnetzbetreiber RTE zu einer „erhöhten Wachsamkeit“ mit Blick auf die Versorgungssicherheit in diesem Winter aufgerufen. Die Pandemie beeinflusse weiter die Wartungspläne. Ein besonderes Risiko sieht RTE im Januar und Februar. Schließlich gehen, drittens, Ende dieses Jahres drei weitere deutsche Kernkraftwerke mit insgesamt rund 4000 Megawatt Leistung vom Netz, zusätzlich zum Kohleausstieg.
Die Bundesnetzagentur beschwichtigt. „Die Menge des aus Frankreich importierten Stroms könnte geringfügig sinken. Wir gehen nicht von signifikanten Auswirkungen für Deutschland aus“, sagte ein Sprecher der F.A.Z. Auch der westdeutsche Netzbetreiber Amprion bekräftigt: „Aktuell gibt es aufgrund der Situation in Frankreich keine angespannte Versorgungslage.“
Amprion verweist auf die Prognose des europäischen Netzbetreiberverbandes ENTSO-E, wonach „insgesamt keine Risiken für die elektrische Versorgungssicherheit in diesem Winter“ zu erwarten seien. Die Strombörse verzeichnete in dieser Woche jedoch Preissprünge, auch in Deutschland. Da EDF nun teuer Ersatzmengen am Markt beschaffen muss, reduzierte der Konzern seine Ergebnisprognose leicht. Die EDF-Aktie verlor daraufhin deutlich an Wert.